text. interview. video

 


                          

 

 

 

while the gibraltar berlin residency exchange 10/2017         

https://www.facebook.com/gbcthehub/videos/1558254924258625/





Artist Statement

THE CUTS

For the past two years Birgit Hölmer site-specific interventions have been taking place in empty shop windows in Berlin. The artist creates the ephemeral artworks using leftover sticky strips sourced from printing shops, which would normally be thrown away. She composes the strips into sublime abstract forms on the outside of the abandoned shop windows normally without asking for permission. Moreover, her methodology in the “Cuts” series implies a critique on the wave of gentrification many areas of Berlin are currently experiencing.

Birgit Hölmer’s interventions are of great variation; circular structures are in focus, often with a hole in the centre, suggesting fractures on the glass window. However, there are also elegant geometric rectangular structures, which are made of closely spaced straight stripes.

The CUTS on the outside of empty shop windows are a kind of urban version of the „plain air“ forest drawings Hölmer has been working on in the surroundings of Berlin for nearly a decade. These drawings were the starting point for an artistic dialogue and implementation using building material such as acrylic and silicone. Later on, Hölmer worked with a silicone dye mixture directly in the forest, she used a black gauze curtain, not only as a support, but with the idea that the material should have a direct connection to the subject by soaking through the fabric. The silicone was squeezed through the black transparent gauze with her fingers creating structures which are similar to that of plants. The backside of the gauze becoming the front of the work.

The same procedure, using a silicone dye mixture, was also employed to create the carpet works. Original carpets were traced through the gauze with the black gauze retaining a transparent appearance resulting in a space expanding screen.

During the residency at Lichtenberg Studios in 2012, Hölmer developed an exhibition in the Stasi (GDR Secret Police) Museum exhibiting a series of carpets made from found political photographs in the Stasi archives.

Front and back views play also an important role in artworks such as a the permanent public light installation artwork in Bergkamen (Germany) or the work „Soap Piece for a Kitchen“.

Birgit Hölmer
Translation Francis Gomila




Text Ludwig Seyfarth
25. 04.17

Birgit Hölmers CUTS, die seit einiger Zeit immer wieder in – meist Berliner –Fensterscheiben zu sehen sind, entstehen fast immer ohne Auftrag. Die Künstlerin sucht selbst nach leerstehenden Erdgeschoßräumen, deren Scheiben sie nutzen kann, ohne um Erlaubnis fragen zu müssen.
Die Verbindung des zerbrechlichen Materials  Glas mit dem Begriff CUT kann zunächst vermuten lassen, dass die Künstlerin Schnitte im Glas vornimmt, was von weitem und auf den ersten Blick auch so aussehen mag. Die geraden oder gekrümmten, fast wie Schraffuren parallel geführten Linien befinden sich jedoch nicht in, sondern befinden sich auf der Scheibe, sie selbst bleibt – zumindest durch Birgit Hölmers Intervention – unversehrt. 
Die Künstlerin setzt eine Technik ein, die sich kaum in traditionelle Kategorien wie Zeichnung, Malerei oder Collage einordnen lässt. Die CUTS entstehen durch das Aufkleben schmaler, unterschiedlich farbiger Randstreifen, die bei der Herstellung von Klebestickern abfallen, die sie bei Kindern und Erwachsenen großer Beliebtheit erfreuen. 
In einer Druckerei, in der solche Sticker auf großen Bögen ausgeprintet werden, holt Birgit Hölmer die Abschnitte, die beim zurechtschneiden der Bögen entstehen und die sonst im Abfall landen oder vielleicht recycelt werden würden, regelmäßig ab und füllt mit ihnen die Ladefläche ihres Autos. So hat sie ihr Material stets parat, wenn sie sich als motorisierte Flaneurin auf die Suche nach geeigneten Orten für neue CUTS begibt.
Was Birgit Hölmer auf die Fenster klebt, ist von großer Variationsbreite. Häufig stehen kreisförmige Strukturen im Mittelpunkt, wobei oft ein Loch in der Mitte eine Beschädigung der Scheibe suggeriert. Immer wieder finden sich jedoch auch rechteckige Gebilde, die sich aus eng nebeneinanderliegenden geraden Streifen ergeben. Während manche Formationen als reine Abstraktionen erscheinen, erinnern andere an Spinnen- oder andere Netze oder an Vorhänge. Oft konzentriert sich der CUT auf eine große, mehr oder weniger komplexe Einzelform, manchmal verteilen sich auch kleinere Elemente über die Scheibe. 
Streng geometrisch angelegten Formen stehen weichere, organoide Strukturen  gegenüber, die Assoziationen an mikroskopische Lebewesen, Blüten und Blätter oder an Vogelflügel wecken können. Die Suggestion, dass die Formen schweben oder fliegen, entsteht bei fast allen CUTS, wie auch der Eindruck des Transitorischen und Flüchtigen. 
Die sich von der Transparenz des Glases abhebenden Silhouetten erzeugen eine starke flächige Wirkung, gleichzeitig  wird immer wieder eine gewisse räumliche Tiefe suggeriert. Dabei erinnern viele der Gebilde auch an digital generierte 3D-Grafiken, die in einem virtuellen Raum schweben und sich um die eigene Achse drehen. Die Glasscheibe wird dann zu einem imaginären Bildschirm. 
Auch wenn sie bis ins Detail sehr ausgeklügelt wirken, entstehen die CUTS ohne vorbereitende Skizzen. Bei der Konzeption des Motivs geht Birgit Hölmer von der Größe des jeweiligen Fensters aus. Mitunter geht in die formale Konzeption ein, was sich in dem durch das Fenster sichtbaren Innenraum befindet.
Manchmal arbeitet Birgit Hölmer dann doch mit dezidierten  Auftrag, so für eine Ausstellung 2016 in der Bar Babette in der Karl-Marx-Allee in Berlin, deren große Fensterflächen sie mit ihren bisher größten CUTS füllte. Als „Dauerinstallation“ befindet sich immer noch ein CUT an der Eingangstür der Bar, der jedoch von Zeit zu Zeit durch ein neues Motiv ersetzt wird.
Bei den ohne Auftrag angebrachten CUTS geschieht so etwas nie. Sie werden dem Lauf der Zeit oder der Dinge überlassen, bleichen durch das Sonnenlicht aus, werden manchmal beschädigt, bei der Neunutzung der Räume entfernt oder durch den Abriss des Gebäudes mit zerstört. Die Künstlerin selbst greift jedoch, nachdem sie den CUT einmal aufgebracht hat, nicht mehr ein.
„Eingreifen“ ist auch etwas, das gar nicht in das Konzept der CUTS passt. So hat Birgit Hölmer die Anfrage einer Ladenbesitzerin abschlägig beantwortet, die ihre durch Autonome beschädigten Fensterscheiben mit CUTS versehen lassen wollte. Die künstlerische „Reparatur“ einer Beschädigung durch Vandalismus wäre eine Form der Dekoration, bei der das subtile Spiel zwischen scheinbar Beschädigung und subtiler Formfindung verloren ginge. Eine ästhetische Abmilderung einer gewalttätigen Geste, die sich vor allem als Kritik an der immer massiveren Gentrifizierung in den zentralen Stadtteilen Berlins versteht, würde zudem die subtile Kritik an der Gentrifizierung unterhöhlen, die in Birgit Hölmers CUTS implizit enthalten ist. Diese nisten sich gleichsam in den Nischen ein, die es meist nur temporär in einer Stadt gibt, deren Immobilienbestand immer mehr durch das Agieren von Großinvestoren bestimmt ist. Die Orte, an denen Künstler leben und arbeiten können, gehen zunehmend verloren oder werden für sie unbezahlbar. So führt Birgit Hölmers Kunst, die quasi aus einem mobilen Atelier heraus im öffentlichen Raum entsteht, letztlich mit rein ästhetischen Mitteln vor, was in Zukunft vielleicht für viele Künstler noch die einzige Arbeitsmöglichkeit sein könnte: sich ohne Atelier und ohne Auftrag Orte anzueignen, an denen man sie überhaupt noch Kunst machen lässt. 
So finden sich viele indexikalische Verweise auf den urbanen Kontext, in dem Birgit Hölmers CUTS entstehen. Dazu ist es gar nicht nötig, dass die Kompositionen selbst eine soziale oder politische Aussage enthalten. Ihre Schönheit und Vielfalt können sich in ihrer ästhetischen Autonomie frei entfalten und behaupten.



VARIOUS & GOULD

When we discovered this work, we thought at first it was a nicely cracked window of an empty storefront.

We were on our bikes and just after we had already passed it and were waiting at the red light, we glanced back: ‘Did you see that window? What was it: broken, scratched, painted? Let‘s have a second look!’

When we turned around we saw these delicate graphic lines. And we understood this was an artwork. Now the detectives in our curious artist minds awoke and we were wondering how this was made.We came to the conclusion it might be the left over borders from stickers, applied to the window stripe by stripe.

We really enjoy the intriguing yet unobtrusive appearance of these works, of which we have discovered more since. It took us a while to find out the artists name: Birgit Hölmer.

We haven’t met her though. It‘s so striking that public art can still appear in new forms and surprise you!


Various & Gould. Art work by Birgit Hölmer. Berlin, Germany. March 8th, 2017. (photo © Various & Gould)




Streifen auf der Fensterscheibe


———— Filed under: Art ⁄⁄ Artwork

Author:
Publ. 11.20.2017
Streifen auf der Fensterscheibe, Contribution by Yvonne Michalik, Berlin
Akribisch zugeschnittene dünne Streifen, die sich zu einem Muster anordnen, überall sehe ich sie seit Neuestem in Berlin Mitte. Meistens sind sie an Fensterscheiben von nicht vermieteten Länden angebracht. Beim näheren Hinsehen zeigt sich, dass der oder die Künstlerin hier wohl lange und sehr überlegt gearbeitet hat. Jeder Strich ist präzise angebracht und genau fixiert. Das Ganze ergibt ein Muster von durchdachter Achtsamkeit. Zeit und Muse müssen hier drinstecken. Dem rhythmisch hektischen Leben in Berlin gibt diese Kunst eine neue Note. Still und fein ist sie, überraschend einfach und doch kompliziert, überall aufzufinden. Doch vor allem zeichnet sie sich durch eine eigene Handschrift aus.

Wer ist die oder der Künstler, der/die sich so viel Mühe macht und davon ausgeht, dass spätestens bei Vermietung oder Abriss ihr Kunstwerk erlischt? Keine Signatur, nichts. Erst beim Babette, einer vermieteten Kneipe an der Karl-Marx-Allee, sehe ich dieselbe Handschrift. Diesmal steht auch ein Name: Birgit Hölmer.
Ein kurzes Interview mit der Künstlerin:
Können Sie über sich und Ihre Kunstausbildung etwas einleitend sagen. Welche Kunstausbildung haben Sie und gibt es vorher Werke, die zu der Idee der Cuts führten?
Ich habe Visuelle Kommunikation an der Fachhochschule Münster von 1990 bis 1995 und 1995 bis 2000 freie Kunst an der Kunstakademie Münster bei dem Konzeptkünstler Timm Ulrichs studiert. Seit 2002 lebe ich in Berlin. Es gab schon ähnliche Arbeiten mit Strukturen, z.B. Meine Utopischen Objekte von 2003. Dabei presse ich Tonkugeln durch gemusterte Gardinenstoffe. Es entsteht eine plastische Version der Gardine. Wenn die Tonobjekte gebrannt werden, löst sich die Gardine auf.

Da ich immer stark vom Material ausgehe, sehen meine Arbeiten sehr unterschiedlich aus. Sie können gegenständlich oder auch abstrakt sein. So habe ich sehr lange mit Seife gearbeitet in all ihrer Materialbeschaffenheit. Es gab auch ein Relief aus Seife, welches einen Vorhang darstellt und neben einer realen Türsituation in den Raum eingebunden ist. Auf der befindet sich Seife an den Stellen, wo die dahinterliegenden hässlichen Häuser zu sehen wären.
Danach habe ich lange Material wie schwarze Bau-Fugenmasse und Bausilikonfarbgemisch durch schwarze somit transparente Gaze mit Hilfe von Fingern und Spritzen gesiebt, um ein dahinterliegendes Waldmotiv durchzupausen. Es sind Reliefs daraus entstanden. Dabei wird die Vorderseite zur Rückseite. Da lag ein Konzept zugrunde. Genaueres siehe mein Blog.

Also das Davor und Dahinter. Das ist auch Teil meiner permanenten Wasser -Licht-Projektion in Bergkamen. Es werden Brunnenmotive aus Europa durch das Wasser projiziert und man sieht das Motiv auf der anderen Seite.

Außerdem habe ich immer gezeichnet. Es gab vorher Waldzeichnungen (auch Vorlage für die Waldstücke aus Baufugenmasse), die ich Spiegelungen nenne. Spiegelungen spielen bei den CUTS ja auch eine große Rolle.
Wie definieren Sie Ihre Kunstwerke, die Sie an die Fensterscheiben kleben. Sie nennen Sie Cuts, aber sind es eher Bilder, Objekte oder Konzepte, die Sie hier ausstellen?
Die Cuts sind Hybride, nicht eindeutig Konzept, Bild oder Objekt, von allem etwas.
Bild oder Objekt; das ist unterschiedlich. Da die CUTS sehr variieren. Meistens sind sie eher partiell auf die Scheibe geklebt, dann sind sie eher objekthaft. Manchmal wird das ganze Schaufenster mit seinen Ausmaßen mit einbezogen. Dann sind es eher Bilder.
Oft entsteht das Bild auch erst in der Abbildung des CUTS mit seinen Spiegelungen als Foto.
Wie gesagt, es ist eine Mischung aus Konzept und Bildern oder Bildobjekten. Man hört ja nicht auf zu denken, wenn man handelt. Der Umraum spielt eine Rolle. Es gibt eine Bündelung von Innen und Außen auf der Glasfläche. Das interessiert mich. Man sieht den realen Innenraum und den Außenraum als Spiegelung. Außerdem ändere ich oft mein Vorgehen bei der künstlerischen Handlung und das flexible daran interessiert mich. Die Farben und Strukturen der Klebestreifenreste, welche es nur in begrenzter Anzahl gibt, regen mich an und inspirieren mich zu immer weiteren abstrakten Formen.
Ich empfinde das auch nicht als Ausstellung, sondern eher ein Sichtbarmachen meiner Handlung und des leerstehenden Raumes.
Zum Konzept gehören auch die Rahmenbedingungen, die ich mir stecke. Dass ich fast ausschließlich auf leerstehende Ladenlokale klebe und keinen Namen hinterlasse. Das ich im Außenraum arbeite und nicht artifiziell nur im Kunstkontext, das gefällt mir gut. Und die Arbeiten sind temporär.
Warum nennen Sie sie Cuts?
Das ist simpel. Ich nenne sie Cuts, da sie erstens geschnittene Reste sind und weil sie oft aussehen wie in die Scheibe geschnitten oder zerborstene Fensterscheiben. Vor allen Dingen die Kreisformen erinnern daran.
Wie sind sie auf die Idee gekommen, in der ganzen Stadt Fensterscheiben zu nutzten. Was war der Auslöser?
Ich wollte in den Raum gehen mit meinen Zeichnungen. Aber ich wollte mir auch treu bleiben mit meiner Zweidimensionalität. Da boten sich Fensterfronten an, wo sich der Umraum bündelt. Und ich wollte nicht im Atelier, sondern draußen arbeiten. Sozusagen als urbane Entsprechung zu meinen eher klassischen Waldzeichnungen im Freien, aber mit urbanem Material. Und als ich einen leerstehenden Eckladen bei mir im Kiez gesehen habe mit Spiegeln im Schaufenster, wo man die Klebestreifen auch von der Rückseite nur weiß sehen konnte, konnte ich nicht widerstehen.
Welche Materialien benutzen Sie und woher kommen sie?
Ich benutze Klebestreifenreste von einer Druckerei. Sticker werden aus Kostengründen auf ein Blatt gedruckt und dann beschnitten. Die Klebestreifen sind also Müll. Sie kosten mich nichts, nur die Zeit, die ich benötige. Sie werden nicht extra für die Kunst hergestellt. Auf die Idee kam ich durch meine Tochter, die Sticker für Alben gesammelt hat. Ich fand die Ränder viel schöner und habe sie erst mal behalten ohne zu wissen, was ich damit machen kann. Als ich dann in eine Druckerei in Berlin kam, sah ich die Schnittreste. Da hatte ich dann die Idee.
Wie entsteht ein Kunstwerk? Wie gehen Sie vor, wenn Sie ein neues Cut erarbeiten?
Wenn ich durch Berlin fahre, halte ich Ausschau nach neuen leerstehenden Ladenflächen. Ich habe die Klebestreifen im Auto gelagert. Auch eine Leiter habe ich dabei.
Wenn ich einen Raum entdecke, der mich anspricht, und der gut gelegen ist, suche ich mir entsprechend des Raumes Streifen heraus. Ich achte dabei auf Farbähnlichkeiten des Umraumes, ob der Hintergrund dunkel oder hell erscheint. Dann beginne ich einfach ohne Vorskizze. Habe natürlich im Kopf, was ich schon gemacht habe. Ich klebe die Streifen einzeln vor Ort. Da die Streifen aber immer unterschiedlich sind, gibt es jeden CUT nur einmal.
Ich starte mit einer Bildidee, die ich aber immer wieder verwerfe und variiere. Das macht mir Spaß. Ich werde in Gespräche verwickelt und abgelenkt, wieder ändert sich meine Vorgehensweise. Ich reagiere intuitiv auf meine Umwelt und bin Teil dessen.
Die Gespräche sind auch ein wichtiger Bestandteil meiner Arbeiten. Oft wird mir etwas über den Raum erzählt oder ich werde gefragt, was für ein Laden hier entsteht oder die Leute erzählen, wo sie schon Cuts gesehen haben und freuen sich, mal ein Gesicht dazu zu sehen…
Wie wählen sie die Standorte aus?
Ich schaue, dass sich die CUTS nicht nur in einem Kiez befinden, sondern ich streue sie in ganz Berlin. So gibt es sie in Tempelhof, Mitte, Friedrichshain, Charlottenburg, Prenzlauer Berg, Wedding, Neukölln, Kreuzberg, Moabit. Meistens befinden sie sich in großen Einfahrtstraßen, wie Prenzlauer- und Schönhauser Allee, Leipziger Straße, Potsdamerstr., Kottbusser Damm …. am Alex, also mittendrin. Aber ich mag auch die stillen Seitenstraßen. Neukölln Böhmischer Platz mit einer tollen Atmosphäre. Irgendwie muss es funken zwischen mir und dem Raum.
Hatten sie schon Probleme mit Eigentümern oder Mietern?
Ja, Ärger hatte ich schon. Mehrmals wurde ich ertappt, denn ich arbeite tagsüber. Dann muss ich verhandeln. Mit der Hausverwaltung sprechen… Ich musste auch schon direkt CUTS entfernen. und man fragte mich, wie ich dazu komme, die Scheiben fremder Leute zu beschmieren. Am Anfang habe ich nachgefragt. Ein Immobilientyp hat gesagt, dass er seinen Chef fragen will, denn meine Arbeiten sähen interessant aus. Doch nach zwei Wochen hatte er den Chef angeblich nicht erreicht und würde sich nochmal melden. Als er das nicht tat, habe ich einfach begonnen. Nach 7 Wochen bekam ich eine böse Mail, ich solle sofort alles entfernen, sonst müsste ich die Kosten tragen… bis heute steht der Laden in der Potsdamer Straße leer und ist mit Plakaten beklebt. Meistens habe ich aber Glück und die Cuts sind eine Weile zu sehen.
Sind Sie enttäuscht, wenn manche Cuts verschwinden, wenn z.B. das Haus renoviert wird oder gar abgerissen?
Ja, manchmal bin ich schon etwas enttäuscht, wenn sie schnell entfernt werden. Ich hänge doch irgendwie an meinen Arbeiten. Aber das ist nur kurz. Wenn die CUTS längere Zeit zu sehen sind freu ich mich, bin ich aber auch froh, wenn sie wieder verschwinden und es neuen Raum zu suchen gilt. Das Temporäre gefällt mir gut, ist ja auch Teil des Konzepts. Mir bleiben ja die Fotos, denn ich dokumentiere die CUTS und archiviere damit auch den Ort Anschließend setze ich sie auf meinen Blog. http://birgithoelmer.blogspot.de/p/aktuell.html
Wenn ich jetzt durch Berlin fahre sehe ich die neuen veränderten, betriebsamen Orte oder wenn Gebäude verschwinden, wie z.B „Das Drive“ in in der Leipziger Strasse. Dann finde ich gut, dass es sie wirklich gab, die Auszeit mit den CUTS auf den Scheiben. Manchmal verschwinden aber auch Orte, wo es weh tut. Z.B. die Bar Babette in der Karl-Marx-Allee wird auch Opfer der Gentrifizierung. Sie muss im Oktober 2018 schließen, weil der Vertrag nicht mehr verlängert wird. Aber bis dahin gibt es da noch viel gute Kunst/ Kultur und alle 2 Monate einen neuen CUT an der Tür zu sehen.
Machen Sie das nur in Berlin oder auch an anderen Stadtorten?
Bisher arbeite ich hauptsächlich in Berlin, weil ich die meiste Zeit hier verbringe. Aber wenn ich eingeladen werde, klebe ich auch in anderen Städten und Ländern. Ich war gerade 4 Wochen in Gibraltar im Rahmen des Residency Exchange Gibraltar/Berlin von den Lichtenberg Studios. In Bayreuth hatte ich letztes Jahr ein Projekt. Doch ich habe Lust bekommen zu reisen, dann werde ich wohl immer meine Streifen dabeihaben.
Wie lange brauchen Sie für einen Cut?
Das ist unterschiedlich, aber in der Regel geht das doch recht schnell. 1 bis 4 Stunden ein Schaufenster, wenn es partiell ist. Bei größeren Cuts 2 Tage, manchmal jedoch eine Woche täglich ein paar Stunden, wenn ich das ganze Showcase mit allen Fenstern beklebe.
An was arbeiten sie zur Zeit?
Ich bin gerade aus Gibraltar zurückgekommen. Ich habe heute aber schon wieder Lust, einen CUT zu kleben. Im Moment verändert sich etwas. Ich reagiere auf vorgefundene Strukturen auf den Fensterscheiben wie z.B. Plakate, weiße Farbe, Folien und Klebestreifen von Innen…. siehe Gibraltar. Das möchte ich hier fortsetzen. Dann suche ich nach einer permanenten Variante, z.B. als Negativform der Streifen mit Spraylack auf Folien und ich will ein Heft oder Katalog veröffentlichen. Ich habe dafür das Recherchestipendium von Senat Berlin erhalten.


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